KJA-Praxishilfe-5_SexuelleBildung_Kachel-05

DAS THEMA

Sexuelle Bildung ermöglicht Identität!

Sexuelle Identität bezeichnet den auf sexueller Orientierung basierenden Teil der Identität einer Person. Der Begriff der Identität ist auf das Individuum bezogen und beschreibt, wie sich die Person selbst definiert. Die sexuelle Orientierung hingegen ist auf eine andere Person gerichtet und definiert das nachhaltige Interesse einer Person bezüglich des Geschlechts eines potenziellen Partners auf der Basis von Emotion, romantischer Liebe, Sexualität und Zuneigung. Sexuelle Identität ist mit sexueller Orientierung keinesfalls gleichzusetzen, sie geht darüber hinaus. Wikipedia

Im Übergang von der Kindheit zum Erwachsenendasein beginnen junge Menschen mit der Ausbildung ihrer Identität, der Gesamtheit ihrer Eigentümlichkeiten. Menschen werden als sexuell empfindsame Wesen geboren. Sexualität umfasst das Verhältnis zum eigenen Körper und Geschlecht. Sie hat auch Auswirkungen auf unsere Liebes- und Lebensweise. Für Jugendliche ist während der Phase der Adoleszenz die Entwicklung einer eigenen Identität eine fundamentale Herausforderung: Identität meint hier eine Person als einmaliger und unverwechselbarer Mensch im Kontext seiner sozialen Umgebung. Die kindliche Selbstwahrnehmung und die subjektiven Erfahrungen der Eigenbestimmung und der Abgrenzung bilden dafür die Voraussetzung. Ein Gefühl der inneren Verbindung bewirkt die Sicherheit von Zugehörigkeit und Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens.

Im Sinne einer ausgedehnten sozialen Identität sind sowohl die Übernahme weiterer sozialer Rollen als auch der Erhalt einer emotional gesteuerten Selbstwirksamkeit notwendig. Der junge Mensch versucht seinen Platz in sozialen Rollen zu finden und zu festigen: »Ein wichtiger Mechanismus beim Identitätserwerb ist der Mechanismus der sogenannten Identifikation:
Rollenübernahme ist das Ergebnis einer Suche nach psychosozialen Experimentierfeldern, Handlungsanleitungen und Idealen. Solche Rollenübernahmen gelingen durch identifikatorische Prozesse.« (neurologen-und-psychiater-im-netz.org)

PÄDAGOGISCHER AUFTRAG

Wer bin ich? Was denken andere über mich? Wie möchte ich in meiner Zukunft sein? Diese Fragen stellen sich wohl alle junge Menschen. Aber viele wichtige Lebensentscheidungen in Richtung des Erwachsenwerdens werden nicht durch abwägendes Planen getroffen, sondern durch emotionale Prozesse im Rahmen von Annäherungen und Adaptionen. Wenn Jugendliche von einer Person in einer bestimmten Rolle fasziniert sind, stellen sie zu dieser Person einen emotionalen Bezug her. Sie sind angetan und möchten die gleiche Position oder Rolle einnehmen. Sexualität ist dabei ein wesentlicher Bestandteil der sich entwickelnden Persönlichkeit.

Die Vermittlung und ermutigende pädagogische Begleitung von sexueller Bildung befähigt die Identitätsentwicklung von Kindern und Jugendlichen: »Sexualität ist Lebensenergie, die in allen Phasen des menschlichen Lebens, von Geburt bis ins Alter, körperlich, seelisch und sozial, wirksam ist. Sie ist Bestandteil der Identität des Menschen und wird wie diese kontinuierlich durch individuelle, gesellschaftliche, soziale und religiöse Bedingungen beeinflusst und geprägt.« (pro familia Rahmenkonzept Sexualpädagogik, 2015, S. 25)

Pädagogische Angebote zu sexueller Bildung gehen nicht von »richtigen«, »gelungenen« oder »natürlichen« Formen von Sexualität, Liebe und Beziehung aus, sondern regen zu einer Auseinandersetzung mit sexuellen Lebensentwürfen an.

WAS DER KIRCHE WICHTIG IST

In der Arbeit mit jungen Menschen ist es der Kirche wichtig, durch Austausch, Dialog und Diskurs Erfahrungen zu ermöglichen, die Werte und Persönlichkeit bilden. Erfahrungen bedürfen der Reflexion, damit sie für die eigene Persönlichkeitsentwicklung verarbeitet werden.

Ein wichtiges Ziel ist es, Menschen zu vermitteln, andere nicht zu diskriminieren, sondern anzuerkennen. Menschen in ihrer Vielfältigkeit und mit ihren Identitäten begegnen wir solidarisch und respektvoll, damit sie ein stabiles Selbstbewusstsein entwickeln können. Die Nächstenliebe als Handlungsmaxime im Umgang mit den eigenen Mitmenschen ist eine Grundvoraussetzung für christliches Handeln. Das Aufeinander zugehen und der respektvolle Umgang mit Kindern und Jugendlichen bezieht sich auf die Gesamtheit des Individuums. Jedoch priorisiert die Kirche die verschiedenen Lebensmodelle unterschiedlich. So ist es der Kirche besonders wichtig, sich für das Sakrament der Ehe auszusprechen. Die Ehe ist heilig, und das verleiht ihr eine Bedeutung, die anderen Lebensmodellen nicht geschenkt wird. So gegensätzlich Offenheit und Priorisierung von Lebensmodellen sein mögen, der Kirche ist es wichtig, dass jedes akzeptiert und in der Wertevermittlung bedacht wird.

FÜR DIE PRAXIS

Es sollte ein Raum für Dialog, Selbstreflexion und der Möglichkeit der Aufnahme von Informationen geschaffen werden. Diese Orte des Dialogs müssen für verschiedene Wertvorstellungen offen sein, zum Gespräch miteinander anregen und dabei wechselseitige Anerkennung einüben. Sie bieten die Möglichkeit, sich über Normen und Werte auszutauschen, Fragen zu stellen.

Ziel ist es, Verständnis und Achtsamkeit für sich und andere zu stärken, Grenzen und Rechte zu vermitteln und für sehr persönliche Fragen zur Verfügung zu stehen. Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter bieten einen klaren Standpunkt an und fordern dadurch Kinder und Jugendliche altersgemäß dazu auf, ihrerseits Position zu beziehen. So werden junge Menschen dabei unterstützt, in einem sicheren Umfeld körperliche Bedürfnisse und identifikatorische Schönheitsideale zu reflektieren. Sexuelle Bildung vermittelt hier Achtsamkeit mit sich selbst und im Umgang mit anderen.

Kontakt & Info

Oliver Karcz

Oliver Karcz

Referent für jugendpastorale Großveranstaltungen und spirituelle Veranstaltungen in Jugendbildungsstätten |
Kinder- und Jugendschutz