KJA-Praxishilfe-5_SexuelleBildung_Kachel-08

DAS THEMA

Die Geschlechtergerechtigkeit ist ein wichtiges Menschenrechtsanliegen und bedeutet gleichberechtigt Partizipation, Sichtbarkeit und »Empowerment« der Geschlechter in allen Sphären des öffentlichen und privaten Lebens. Dies heißt nicht, dass alle Geschlechter gleich sind, sondern vielmehr, dass sie gleich an Rechten und Würde sind. (compasito-zmrb.ch)

PÄDAGOGISCHER AUFTRAG

Unser pädagogischer Auftrag beinhaltet einen wertfreien und gleichberechtigten Blick auf die Menschen. Kinder und Jugendliche haben das Festschreiben auf bestimmte Stereotypen nicht nötig, sondern sie sind in der Lage, frei, spielerisch und sehr spontan in viele Rollen zu schlüpfen. Sofern die Erwachsenen es zulassen, sind sie dabei auf keine Vorgaben festgelegt und offen für viele verschiedene Typen oder Bilder von Menschen. Jugendliche erleben sich durch gesellschaftlichen Druck oder untereinander festgelegt; wollen aber grundsätzlich vieles ausprobieren und ihre eigenen Erfahrungen machen.

Vor diesem Hintergrund ist es hilfreich, in pädagogischen Räumen viele unterschiedliche Settings und Zugänge anzubieten, in denen eine positive Selbstinszenierung möglich sein kann und darf. Dabei bildet die Ermutigung die Basis des pädagogischen Handelns, um Würde und Einzigartigkeit zu vermitteln. Dazu gehören auch die Lebensdimensionen der Geschlechter. Junge Menschen sind dabei nicht an bestimmte Rollen gebunden oder festgelegt. Sie handeln aber in sozialen Kontexten und bilden sich ab durch den Kontakt mit dem Anderen. Diese soziale Bestimmung der eigenen Existenz fordert junge Menschen täglich heraus, nicht einer Norm zu entsprechen, sondern echt zu sein, sich so zu erkennen, zu geben, wie Gott sie gedacht und gemacht hat.

WAS DER KIRCHE WICHTIG IST

Christlich-religiöse Bildung hat das Ziel, das eigene Selbstbild, also die eigene Beziehung zu sich selbst, dem eigenen Körper, den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen und die umgebende Lebenswelt im Licht der christlichen Gegenwart Gottes zu interpretieren. Philosophisch formuliert: Was ist der Sinn meines Daseins?

Welches Gottesbild habe ich? Und was hat das mit meiner Sexualität zu tun?

Gottesvorstellungen sind ein zentrales Gebiet religiöser Bildung. An ihnen wird erkennbar, wie Kinder und Jugendliche sich selbst verstehen, was ihnen wichtig ist, was sie fürchten und hoffen. Im besten Falle werden ihnen »Fenster zum Unendlichen« (Dorothee Sölle) geöffnet, die für sie in ihrer Lebenswelt förderlich sind.

Gottes geliebtes Kind zu sein, zeigt sich auch in meiner Körperlichkeit, in der leibhaften Präsenz: Wie stelle ich mich dar, wie verhalte ich mich und wie äußere ich mich? Diese Zusage Gottes an seine Ebenbildlichkeit ist nicht an eine Gestalt gebunden, sondern zeigt sich in der Vielfalt der Schöpfung, der erschaffenen Wesen Gottes: »Gott schuf den Menschen nach seinem Bild. Als Gottes Ebenbild schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie.« (Gen, 1, 27)

Gott nimmt uns so an, wie wir sind. Nach biblischem Verständnis vertraut Gott den Menschen seine Schöpfung an, damit sie gemeinsam dafür Verantwortung übernehmen und gerecht darin leben. Die Geschlechtergerechtigkeit ist also originäre Aufgabe sexueller Bildungsarbeit in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit, die zum Ziel, hat für Kinder und Jugendliche Bildungsprozesse zu initiieren, die die bedingungslose Zusage Gottes für jeden Menschen vermitteln.

Es muss also Geschlechtergerechtigkeit als Aufgabe kirchlicher Jugendarbeit umgesetzt werden. Der Schlüssel für eine gute pädagogische Begleitung Jugendlicher ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und die bedingungslose Anerkennung der eigenen Identität.

FÜR DIE PRAXIS

Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, Projekte der verbandlichen Jugendarbeit können ein Forum bieten, wo auf unterschiedliche Weise die Fähigkeit geübt wird »gegenderte« Spuren und religiöse Dimensionen bei sich und in der eigenen Lebenswelt zu entdecken:

  • Wo macht mich Gottes Liebe schön?
  • Wodurch bin ich als Geschöpf Gottes für diese Welt attraktiv?
  • Wo und wie sehe ich mich und mein Geschlecht wiedergegeben?

Geschlechtergerechtigkeit ist somit ein Prozess, der hinterfragt, wie eine echte Chancengleichheit der Geschlechter zu erreichen ist. Gendern steht dabei für die individuelle Identität und soziale Rolle jedes Menschen in Bezug auf das Geschlecht und wie diese in einer Gesellschaft bewertet werden. Gendern ist ein Verfahren, um geschlechtergerechte Formen und Zugänge in der Gesellschaft, in Schulen und in der Kinder- und Jugendarbeit zu ermöglichen. Gender meint hierbei das soziale Geschlecht, das wir uns aneignen und vermittelt bekommen. Es ist demnach erlernt und veränderbar.

Kontakt & Info

Oliver Karcz

Oliver Karcz

Referent für jugendpastorale Großveranstaltungen und spirituelle Veranstaltungen in Jugendbildungsstätten |
Kinder- und Jugendschutz